Lyrikbände

Auszug "Die Erinnerung an Emilies Rosen (Band)"


I
Ich schlafe am Ufer des Flusses, die Erle
umhüllt mich, der Sand war wie Quarz als ich schlief;
der Grashalm berührt mich mit all seinen Perlen
und Körpern, aus denen die Einsamkeit lief.

Hier fließen die Zeiten wie Silber durch Wälder.
Der Nebel, er bleibt, und er schweigt an dem Ort,
der Regen zieht Furchen, Erinnerungsfelder,
und wirft die verstorbenen Berge hinfort.

II
Ich sandte dich über den Rücken des Windes
in einem sehr langen und schlafenden Brief.
Am Drucker der Wolken zu Schnüren verbunden,
gingst du liebe Emmi; dein Wort, das entschlief.
Du maltest die Welten auf nebligen Fenstern,
dahinter die Güte, ein Herz als Motiv,

dein Haar auf der Brille, dein Füller aus Stille,
die Tinte im Wasser, Jahrhunderte tief.
Die lieben Gedichte, das salzige Wasser
der Sprache, das über Vergebung zerlief,
weiß glühten die Haare, und durch diese Jahre
verwirbelte Staub sich im Licht, das dich rief.

Kirchenprosa & Die Erinnerung an Emilies Rosen



Die Buche legt sich in das Wort
Straße und der Himmel schwimmt
mit dem Bach um die Sprache
der Kirche. Hier schallen die Räume
vom Glockengang um acht und es riecht
nach Kleider machen Vergebung.
Die Orgel will eine bestimmte Sache.
Autos am Friedhof stehen wie Gräber
unbemüht am Rand des Efeus des
Natursteins wo ein Schmetterling
die Seiten seiner Flügel schließt. Alles
betet sich aus der Mittagszeit
in den Asphalt und um das kalte
Knarren der Tore. Ich denke oft an dich
wenn ich die Butterblume sehe
als die Sonne etwas in die Eiche
schrieb und uns zeichnete.
Und durch die Blumen sagtest du
habe nicht jede Rose Dornen
und nicht jeder Pfarrer ein Gebet.


Autor: Matthias Schramm
Sprecher: Fritz Stavenhagen
Bild im Button: Sabine Queck

Beide Gedichte wurden für Ulrich-Grasnik-Lyrikpreis 2024 nominiert.

Dorfelegie


Was in Stille beginnt, mündet in Stille.
Ein Tag wie jeder andere auch.

Dazwischen liegen bräsige Häuser
mit müden Fenstern,
die einen Kirchturm spiegeln.
Kühe waren noch nie etwas anderes.
Ihr Kuhsein hört einfach nicht auf.
Genau wie der Himmel aus fleur de lin!

Man spricht von Entwicklungschancen auf
zernarbten Asphaltstrecken,
während die Natur keine Integrationshilfe sucht.

Sie blüht ja ohnehin.

Es bellt hinter Zäunen,
wo doch Freiheit grenzenlos scheint,

flachgefellt oder aufgepelzt hecheln Hunde in Heißwütigem.

Der Kleine Bäcker verkauft Eierschecke.
Im saturierten Sonderangebot
gibt es Blätterteig als Bouffant.
Per Du is(s)t man umsonst.

Nur eine Straße führt in das Nirgendwo
und niemand will wissen, wohin.

Wer aufhören will, kommt hierher.

Der Wind legt die Wiesen schachmatt,
wahrend süßes Kareishu unmerklich
sich um Lilien schleicht: Grabbusiness.

Es scheint kein Problem zu sein!

Nur die Lerchen sind willkommene Mänaden.
Zu Smetana isst man Donauwellen,
oft ist es weniger großstadtbegeistert als woanders
und die Nacht beginnt wie der Tag
fast in trauriger Fülle.

Schreibwut


Am Giebel meines Daches sitzt die Elster:
wo einst die Schwalbe mit den Kindern saß
vorm Mund Orangensaft im Zudrehglas
von Mutti und das Ahornblatt im Fenster

Mein Bruder holte Bier aus der Vitrine
er hatte Dauerwelle und kein Geld
die Einsamkeit errichtete ein Zelt
auf dem Geschmack der letzten Mandarine

Als Nachtisch fein servierter Mandelstollen
mit heißer Milch und Zimtstern im Kaffee
und draußen stäubten erste Blütenpollen

die Samen in die Traurigkeit des Sees
Und Papa habe ich fast abgeschrieben
er weinte oft beim Schneiden alter Zwiebeln.